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Tabellenführer Bayern München kam gegen Schlusslicht Paderborn gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon. Zwei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit verwandelte Robert Lewandowski einen Querpass von Serge Gnabry zum erlösenden 3:2-Sieg für die Bayern. Nicht unwesentlich hatte Nationaltorhüter Manuel Neuer dazu beigetragen, dass die Paderborner länger als von den Münchenern gewünscht im Spiel blieben. Schließlich war der Bayern-Kapitän bei 1:1-Ausgleich der Paderborner nicht ganz unbeteiligt. Nach einem langen Ball von Paderborns Christian Strohdiek war Neuer kurz vor der Halbzeitpause aus seinem Tor und dem Strafraum hinausgestürmt, um einen Ball zu erlaufen, der Paderborns Stürmer Dennis Srbeny erreichen sollte. Einige Male zuvor war dies Neuer in gewohnt sicherer Manier geglückt. In dieser Situation hatte sich der 33-jährige Schlussmann aber gründlich verschätzt. Srbeny war in der linken Bayern-Hälfte vor dem Bayern-Schlussmann am Ball, umspielte Neuer außerhalb des Strafraums und konnte weder vom hinterherrennenden Nationaltorhüter noch von den Bayern-Spieler Alaba und Kimmich auf seinem Weg zum Tor aufgehalten werden. Unaufhaltsam dribbelte der Paderborner Stürmer in den Bayern-Strafraum und schoss den Ball aus ca. 5 m ins verwaiste Bayern-Tor.

Torwartfehler oder nicht?

Auf die Frage eines Reporters nach dem Spiel, ob sich Neuer in dieser Situation verschätzt habe, antwortete der dreifache Welttorhüter: „Was heißt verschätzt? Die Situation war 50:50. Ich hatte Respekt davor, ihn umzuhauen, als ich gesehen habe, dass er wahrscheinlich vor mir an den Ball kommt. Das hätte eine Rote Karte nach sich gezogen.“ Soweit seine eigene Einschätzung. Zweifellos hatte der Bayern-Schlussmann kaum Möglichkeiten, den Paderborner Spieler aufzuhalten, nachdem er ihn umspielt hatte. Er hätte ihn am Trikot festhalten oder umschlagen können, was ohne Zweifel einen Platzverweis zur Folge gehabt hätte. Insofern waren das keine wirklichen Optionen für ihn.

Vielleicht hätte er die Situation besser lösen können, wenn er nicht zur Seite abgedreht und damit Srbeny die Möglichkeit eröffnet hätte, nach innen zum Tor zu dribbeln. Stattdessen hätte Neuer besser den Weg zum Tor mit seinem mächtigen Körper zustellen sollen.

Wenn ein Torhüter eine Situation falsch einschätzt, kann man ihn nicht schuldlos sprechen, auch wenn die Aufgabe schwierig war. Er hat nicht die optimale Entscheidung getroffen! Von einem „krassen Torwartfehler“, wie dies Teile der Medienlandschaft sowie einige der sich immer zum Kommentieren Berufenen in den sozialen Netzwerken tun, kann man aber sicher nicht sprechen.

Modernes Torwartspiel bedeutet mehr Risiko

Seit der WM 2014 gilt Manuel Neuer ist der Prototyp eines modernen Antizipationstorhüters. Besonders im unvergessenen Achtelfinalspiel gegen Algerien war er mit seiner antizipierenden Spielweise der Matchwinner. Gleich reihenweise hatte er länge Bälle der ansonsten tief stehenden Algerier in die Tiefe des Raumes antizipiert und geklärt, bevor der gegnerische Stürmer den Ball erreichte. „Neuer, der Libero“ lautete die Überschrift einiger Zeitungen, die mit diesem Begriff anschaulich die neue Aufgabe eines Torhüters beschrieben. Mit seiner Interpretation des Torwartspiels gab Neuer die Richtung für das Torwartspiel der Zukunft vor. Wenn man sich die Szenen des Algerien-Spiels noch einmal in Ruhe anschaut, wird einem aber bewusst, wie schmal der Grat zwischen „Held“ und „Depp“ für Neuer in diesem Spiel war. Mehrmals konnte er den Ball nur äußerst knapp vor dem heranstürmenden Stürmer klären. Hätte er sich in diesen Momenten nur eine Zehntelsekunde später zum Herauskommen entschieden, wäre er wohl anstatt zum Helden zum Schuldigen für das Ausscheiden aus dem Turnier gestempelt worden.

Mit den Zusatzaufgaben für Torhüter in modernen Spielsystemen ist das Torwartspiel deutlich schwieriger und risikoreicher geworden als zu Zeiten, in denen er sich hauptsächlich auf die Torverteidigung beschränken konnte. Für einen Torhüter ist es enorm schwierig, immer richtig abzuschätzen, ob er den Ball vor dem gegnerischen Angreifer erreichen kann oder nicht. In Sekundenschnelle muss er den Abstand zum gegnerischen Spieler, die Fluggeschwindigkeit des Balles, das Lauftempo des Angreifers sowie das eigene korrekt einschätzen, um die richtige Entscheidung zu treffen. Das ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe! Deshalb sollte man solche „Fehler“ sehr wohlwollend beurteilen, zumal Neuer richtigerweise feststellte: „Bei 100 Mal, die ich das mache, hat es 99 Mal geklappt. Das gehört eben zu meinem Spiel dazu.“ Recht hat er! Wenn ein Cheftrainer diese offensive Spielweise des Torhüters fordert, muss er auch akzeptieren, dass ein Torhüter nicht immer die optimale Entscheidung treffen kann. Das moderne Torwartspiel ist zur permanenten Risikoabwägung geworden. Der Torhüter muss ständig entscheiden, ob die Chance, das Gegentor zu verhindern, größer ist, wenn er auf der Linie bleibt oder wenn er aus dem Tor herauskommt. Fehleinschätzungen bleiben dabei nicht aus.

Blickpunkt 1. BundesligaManuel NeuerFC Bayern München

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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