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Aktuell macht ein Torhüter in der dritten Liga von sich Reden, dessen sportlicher Zug bereits abgefahren schien. Die Rede ist von Timo Königsmann vom SV Waldhof Mannheim. Nach der schweren Verletzung von Stammtorhüter Markus Scholz Ende August startet der 22-jährige Ex-Junioren-Nationaltorhüter momentan durch und rückt mehr und mehr ins Rampenlicht in der dritten Liga.

Eigentlich stand für Timo Königsmann die Tür zu einer erfolgreichen Karriere einmal weit offen. Ab dem 10. Lebensjahr im Nachwuchsleistungszentrum von Hannover 96 ausgebildet, war sein Talent den Verantwortlichen des DFB nicht entgangen. Ab der U17 kam er in insgesamt 19 Partien für Nachwuchsnationalmannschaften des DFB zum Einsatz, 2014 wurde er sogar für außergewöhnliche Leistungen in der Altersklasse U17 mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze ausgezeichnet.

Auch der Übergang in den Erwachsenenbereich schien problemlos zu verlaufen. Bereits mit 17 Jahren stand er für die zweite Mannschaft von Hannover 96 in der Regionalliga Nord zwischen den Pfosten und gehörte schon in der Saison 2014/15 zum Profikader der Niedersachsen. Eine erfolgreiche sportliche Zukunft schien vorprogrammiert.

Der langsame Abstieg eines großen Talents

Doch es kam anders. Mit Nationaltorhüter Ron-Robert Zieler und Philipp Tschauner hatte er im Profikader bei Hannover 96 zwei sportliche Schwergewichte vor sich, an denen er nicht auf Anhieb vorbeikam. „Talent hatte er genug“, bestätigte sein ehemaliger Torwarttrainer Peter Rasch, der ihn über 10 Jahre lang trainiert hatte, „aber Talent reicht nicht immer.“ Seine Lebensweise und Mentalität waren nicht dazu angetan, das erhoffte Ziel zu erreichen. Übergewicht war sein ständiger Begleiter. Zudem hatten ihm wohl diverse Spielerberater Flausen in den Kopf gesetzt, die seiner Selbsteinschätzung nicht immer förderlich waren.

Im Sommer 2017 wechselte Königsmann zur SpVgg Greuther Fürth, wo er sich eine Spielklasse tiefer regelmäßige Spielzeiten erhoffte. Doch auch der Wechsel zu den Kleeblättern brachte nicht den erwarteten Erfolg. Einsätze im Zweitliga-Team waren Fehlanzeige, lediglich neunmal lief er für deren Reserve-Mannschaft auf, die in der Regionalliga Bayern spielt. Nicht genug: Am Ende der Saison forderten ihn die Verantwortlichen auf, sich einen neuen Verein zu suchen.

Eine neue Chance bot sich ihm in der Winterpause der Drittligasaison 2018/19. Durch die Verletzungen der Ersatztorhüter Raif Husic und Matthias Layer war der damalige Drittligist VfR Aalen gezwungen, Ersatz auf der Torwartposition zu finden. Nach der Teilnahme im Wintertrainingslager in Belek erhielt Königsmann einen Vertrag bis zum Saisonende. „Da sich unsere beiden Ersatztorhüter Matthias Layer und Raif Husic verletzt haben, war es absolut notwendig, einen weiteren Schlussmann zu verpflichten. Dass es nun mit einem Kaliber wie Timo geklappt hat, ist für uns natürlich umso erfreulicher “, begründete Hermann Olschewski, Präsidiumsmitglied Sport des VfR, die Verpflichtung des ehemaligen Jugend-Nationaltorhüters. „Timo hat eine gute Ausbildung genossen und passt in unsere Torhüter-Philosophie, zudem ist er sofort einsatzbereit“, benannte Torwarttrainer Erol Sabanov als Gründe für die Verpflichtung Königsmanns. Auch den Verantwortlichen des VfR Aalen waren die körperlichen Defizite des talentierten Torhüters nicht verborgen geblieben. Mit Stammtorhüter Daniel Bernhardt und Raif Husic sollte Königsmann aber fortan um den Platz zwischen den Pfosten der Ostäbler kämpfen. Er verlor den Dreikampf. Ohne Einsätze im Drittligateam stieg er am Saisonende mit der Mannschaft in die Regionalliga Südwest ab, woraufhin er den Verein nach nur einem halben Jahr wieder verließ.

Spätestens jetzt stand der 19-fache U-Nationaltorhüter am Scheideweg. Seine sportliche Karriere war stark ins Stocken geraten. Auf dem Torwart-Markt spielte Königsmann kaum noch eine Rolle. Eine Änderung seines Lebensplans fernab des Sports erschien nicht mehr abwegig.

Zurückgekehrt in seine Heimat Hannover, begab er sich ein letztes Mal in die Hände seines Ausbildungstrainers Peter Rasch. Keiner kannte das schlampige Talent seines langjährigen Schützlings besser als er. Rasch gab ihm noch einmal eine Chance, verbunden mit der klaren Forderung, vor allem in den Bereichen Ernährung und Fitness zu arbeiten. Königsmann war wohl „erwachsener geworden“ und hatte erkannt, dass er sein gutes Talent verschleudert hatte und dies seine letzte Chance war, noch einmal im Profifußball Fuß zu fassen. Er zog konsequent mit. In den zwei Monaten der Zusammenarbeit mit seinem Ex-Coach speckte er 8 kg ab. Außerdem änderte er seine Ernährungsgewohnheiten und stellte auf eine vegane Ernährung um.

Königsmann erhält noch einmal eine sportliche Chance

Offen war, ob sich dieser Aufwand auch sportlich auszahlen würde. Schließlich war sein Ruf in der Branche aufgrund seiner körperlichen Defizite, die sich durch seine bisherige Laufbahn zogen, einigermaßen ruiniert. Aber es traf sich gut, dass der Drittliga-Aufsteiger SV Waldhof Mannheim einen dritten Torhüter suchte. Mehrere Torhüter durften vorspielen, darunter auch Timo Königsmann. Die intensiven Trainingseinheiten mit Peter Rasch hatten sich wohl ausgezahlt, denn die Wahl der Waldhof-Verantwortlichen fiel auf ihn. „Er ist jung, erfüllt die U23-Regel und ist ein mitspielender Keeper“, nannte Waldhofs Sportlicher Leiter Jochen Kientz als maßgebliche Entscheidungskriterien. Waldhofs Torwarttrainer Dennis Tiano hatte weitere Stärken beim Neuzugang ausfindig gemacht: „Gekennzeichnet durch seinen Ausbildungsweg besitzt er besondere Fähigkeiten in der Torverteidigung sowie der Spieleröffnung. Darauf aufbauend ist seine außergewöhnliche Torwarttechnik hervorzuheben. Ich freue mich sehr mit Timo arbeiten zu können und hoffe, dass er sich bei uns entsprechend weiterentwickeln kann.“ Als Nummer drei verpflichtet, ergänzt er seither das Waldhöfer Torwart-Trio mit Markus Scholz sowie Miro Varvodic.

Vom Pech und Glück eines Torhüters

Wie so oft auf der Torwartposition ist das Pech des einen Torhüters das Glück des anderen. In diesem Fall war es das Verletzungspech von Stammtorhüter Markus Scholz, das die sportliche Chance von Königsmann begünstigte. Am 6. Spieltag der laufenden Saison riss er sich beim 4:3-Sieg gegen den MSV Duisburg das Kreuzband im rechten Knie. Ein monatelanger Ausfall war die Folge. Der Waldhof-Trainerstab entschied sich für Königsmann als Ersatz für den verletzten Stammtorhüter. Der 22-Jährige erhielt den Vorzug vom dem um acht Jahre älteren Miro Varvodic und bekam so unerwartet die Möglichkeit, sich sportlich in der dritten Liga zu beweisen. Seither nutzt er seine neue Chance und legt den Beweis seiner Klasse wöchentlich vor. Der sportliche Höhenflug der Kurpfälzer ist nicht zuletzt mit den Leistungen von Timo Königsmann verknüpft, denn der gebürtige Hannoveraner hat sich längst zum gleichwertigen Ersatz von Scholz gemausert.

Für Königsmann wurde der SV Waldhof zum sportlichen Neuanfang nach einer turbulenten Zeit davor. Jörg Sievers, langjähriger Profi-Torwarttrainer und Vereinslegende von Hannover 96, freut sich über die Entwicklung des ehemaligen 96-Nachwuchskeepers. Auf den Werdegang seines ehemaligen Schützlings angesprochen, sagte er in einem Interview mit Sportbuzzer vor wenigen Tagen: „Ich habe in seiner 96-Zeit viel in ihn investiert. Er hat es aus verschiedenen Gründen nicht bei uns geschafft. Ich hatte ihn kurz vor seinem Engagement in Mannheim getroffen. Er wirkte sehr angekommen, fokussiert und ruhig, als wenn sich etwas bei ihm getan hätte. Jetzt ist er beim Waldhof und macht das in der Tat sehr gut. Das freut mich sehr, weil er ein großes Potential hat und jetzt in der Lage ist, das abzurufen. Zum Profisein gehört nicht nur Talent, sondern auch Lebensweise. Das ist offenbar angekommen.“ Auch wenn Timo Königsmann einige Zeit brauchte, um zu erkennen, dass mehr als nur Talent zu einer erfolgreichen Profi-Laufbahn gehören, scheint er die Kurve noch rechtzeitig bekommen zu haben.

Hinzu kommt, dass er im Gegensatz zu den vergangenen Jahren plötzlich wieder die Chance erhalten hat, sich auf der Bühne des Sports präsentieren zu können, und zugleich das Gefühl spürt, gebraucht zu werden. Das allein genügt aber noch nicht. Der Sportpsychologe Philipp Laux stellte vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung fest, dass Menschen zwei Faktoren brauchen, um ihr Potenzial auszuschöpfen. „Sie brauchen das Gefühl, wachsen und sich entwickeln zu können, und sie brauchen das Gefühl, eingebunden zu sein in einem Team.“ Außerdem wollen sie in ihrer Individualität gesehen werden. Mit Torwarttrainer Dennis Tiano hat Königsmann einen Verbündeten gefunden, der auf ihn baut und ihm das Vertrauen schenkt, zugleich aber auch ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft einfordert. Das Konglomerat aus einem zunehmenden Grad an Eigenmotivation, einem altersbedingten inneren Reifungsprozess und einem dazu passenden Führungsstil seines Torwarttrainers haben wohl das Talent wieder aus ihm herausgekitzelt.

„Man darf niemals 'zu spät' sagen. Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang“, formulierte Konrad Adenauer einmal. Alles spricht dafür, dass Timo Königsmann den Neuanfang beim SV Waldhof Mannheim nutzt, um von nun an sportlich durchzustarten.

Blickpunkt Timo KönigsmannSV Waldhof Mannheim3. Bundesliga

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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