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Spätestens seit der Einführung der Rückpassregel hat sich das Torwartspiel grundlegend verändert. Der Torwart war von nun an nicht mehr nur als Torverteidiger, sondern auch mit fußballerischen Fertigkeiten gefordert. Zusätzlich haben veränderte Spielsysteme, wie zum Beispiel der Verzicht auf den Libero als absichernder Spieler hinter der Verteidigungslinie, dazu beigetragen, dass die Aufgaben des Torhüters gegenüber früher deutlich angewachsen sind. Diese neuen Aufgabenfelder müssen im Training geschult werden. Das bedeutet, dass veränderte Anforderungen im Spiel veränderte Trainingsmethoden verlangen. Aber wird diese Erkenntnis im Torwarttraining schon entsprechend umgesetzt?

Welche Fertigkeiten / Fähigkeiten brauchen Top-Torhüter?

Fabian Otte, U23-Torwartttrainer beim Bundesligisten TSG Hoffenheim, hat im Rahmen einer Studie 15 Torwarttrainer aus weltweiten Topligen (Bundesliga, Premier League, Schottische Premier League, MLS in den USA, A-League in Australien etc.) befragt, welche Fertigkeiten/ Fähigkeiten Torhüter auf höchstem Level heutzutage vor allem brauchen. Dazu sollten die TW-Trainer ganz offen und frei die für sie persönlich wichtigsten Fertigkeiten von Torhütern auf Profiniveau benennen und im Detail beschreiben. Wie die folgende Grafik zeigt, war laut der befragten Torwarttrainer die ‚Entscheidungsfindung‘ der meistgenannte Faktor im Torwartspiel (13 TWT). Die Kategorien ‚Mentalität‘ (12 TWT), ‚Athletik‘ (11 TWT) und ‚Technik ‚(10 TWT) folgten auf den nächsten Plätzen.

Studienergebnisse

Auf die anschließende Frage, ob die Technik oder die Entscheidungsfindung der entscheidendere Faktor für die Leistung eines Torhüters sei, hatten die Befragten eine klare Meinung. Nahezu alle hielten die Entscheidungsfindung letztendlich für wichtiger. Natürlich war dabei allen bewusst, dass beide Bereiche eng miteinander verknüpft sind. Denn ohne entsprechende technische Voraussetzungen wird ein Torhüter selbst bei optimaler Entscheidung die ihm gestellte Aufgabe meist nicht meistern können.

Werden diese Fertigkeiten im TW-Training trainiert?

Die darauffolgende, mindestens so spannende Frage war, welchen Stellenwert das Training der Entscheidungsfindung im Torwarttraining einnimmt. Dazu muss man sich zunächst bewusst machen, wie ein modernes Torwarttraining in der Regel aufgebaut ist. Die Struktur und Trainingszeitverteilung einer beispielhaften 60-Minuten Torwarttrainingseinheit wurde von den Torwarttrainern beschrieben und kann in 5 Bereiche eingeteilt werden: 1. Aktivierung, 2. Warm-up, 3. Technischer Teil, 4. Komplexer Teil (Teil I und II) und 5. Cool-Down. Diese Struktur steht in enger Vergleichbarkeit mit dem vom DFB geprägten ,WASIC‘-Ansatz (Warm-up, Analytischer Teil, Situativer Teil, Integrativer Teil und Cool-down).

Studienergebnisse

Legt man diese fünf Phasen für den Aufbau einer 60-minütigen Trainingseinheit zugrunde, bestanden in den 60 Minuten interessanterweise mindestens die Hälfte, aber meist sogar noch mehr der Übungen aus isoliertem technischem Training, also Übungen, in denen eine Entscheidung nicht gefordert war. Anders ausgedrückt: Die zuvor angesprochene Wichtigkeit der Entscheidungsfindung findet sich in den Trainingsinhalten nicht oder zu wenig wieder!

Otte hat auch eine Erklärung dafür, weshalb das Techniktraining im Torwarttraining einen so großen Raum einnimmt. Die Torwarttrainer wurden gebeten, verschiedene TW-Techniken von 0-100 in Bezug auf ein technisches Idealbild zu werten (0= es gibt tausende Wege die Technik auszuführen; 100= es gibt nur einen Weg in großem Detail, diese Technik auszuführen). Für die meisten Techniken kam ein Durchschnittswert von über 70 heraus. Das zeigt: Wenn Torwarttrainer ein hohes technisches Idealbild verfolgen, ist es nur logisch, dass sie im Torwarttraining viel Zeit mit isolierten Technikübungen verbringen, vor allem bei jungen Torhütern.

Unter Berücksichtigung der Limitationen einer qualitativen Studie (welche eine Generalisierung der Ergebnisse nur schwer ermöglicht), bleibt dennoch Raum für Schlussfolgerungen:

  • Jeder Torwarttrainer sollte überdenken, wie bei ihr/ihm die Balance zwischen angesagt und unangesagt/ isoliert und komplex/ Techniktraining und spielnahem Training in ihrem/seinem Training aussieht. Zweifelsohne sind beide Bereiche wichtig, aber wenn die Entscheidungsfindung als die wichtigste Fähigkeit eines Top-Torhüters angesehen wird, dann muss dies natürlich auch zu einem großen Maße im Training wiederzufinden sein!
  • Da die Studie rein auf das Torwarttraining bezogen wurde, wurden Teile des Teamtrainings, in denen vermehrt komplex und spielnah trainiert wird, nicht beleuchtet. Somit bleibt zu überdenken, welche Rolle das Mannschaftstraining und die Integration der Torhürter in freie Übungen und Spielformen spielt. Eine enge Zusammenarbeit mit Teamtrainern bei der Trainingsplanung und -steuerung ist hiermit unerlässlich und wichtig für eine ganzheitliche Torwartausbildung.
  • Auch für Otte ist Techniktraining selbstverständlich wichtig – gerade bei jungen Torhütern, isolierten Einheiten mit einzelnen Torhütern oder bei kurzem Torwarttraining als Warm-up vor dem Mannschaftstraining. Aber er ist überzeugt - und dies ist auch von Wissenschaft untermauert -, dass es möglich sein muss, Techniken (oder Technikausführungen) zu trainieren und gleichzeitig die Bereiche Wahrnehmung und Kognition dabei (spielnah) zu integrieren.

Letztendlich gibt es viele gute Wege, am Ende muss immer die Balance stimmen. Hierbei sollte es jedoch das Ziel sein, Torhüter langfristig optimal auf Höchstleistungen im Wettkampf (und nicht auf das isolierte Torwarttraining) vorzubereiten. Und eins ist klar: Im Wettkampf werden immer und in jeder Aktion Wahrnehmung, Kognition und Technik in Kombination zusammen gefragt sein.

Literaturhinweise

  • Otte, FW., Millar, S., & Klatt, S. (2019). How does the modern football goalkeeper train? – An exploration of expert goalkeeper coaches’ skill training approaches. Journal of Sports Sciences, 1-9. doi:10.1080/02640414.2019.1643202

Torwartspiel

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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